ADHS im Erwachsenenalter – wenn der Alltag zur Dauerherausforderung wird
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist längst keine reine Kindheitsdiagnose mehr. Viele Frauen erfahren erst im Erwachsenenalter, dass die Schwierigkeiten, mit denen sie schon lange zu kämpfen haben, einen Namen haben – und dass sie damit nicht allein sind.
Statt klassischer „Zappeligkeit“ zeigt sich ADHS bei Erwachsenen oft ganz anders:
mit chronischer Erschöpfung, innerer Unruhe, emotionaler Überforderung oder dem Gefühl, das Leben einfach nicht so gut zu organisieren wie andere.
Typische Symptome von ADHS im Erwachsenenalter
- Exekutive Dysfunktion:
Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten, Aufgaben zu planen oder anzufangen, Dinge zu Ende zu bringen oder zwischen Wichtigem und Dringendem zu unterscheiden. Oft bleibt vieles halbfertig, nicht aus Mangel an Willen – sondern weil das Gehirn mit der inneren Strukturierung kämpft. - Emotionale Reizbarkeit & RSD (Rejection Sensitive Dysphoria):
Viele Betroffene reagieren extrem sensibel auf Kritik, Ablehnung oder das Gefühl, nicht zu genügen. Diese Form der emotionalen Verletzlichkeit – RSD – kann intensive Scham, Rückzug oder sogar depressive Episoden auslösen, obwohl im Außen scheinbar kein "echter" Anlass besteht. - Innere Unruhe & Überstimulation:
Gedanken rasen, der Körper steht ständig unter Strom, Entspannung fühlt sich schwer greifbar an. Gleichzeitig kann die Reizverarbeitung überfordert sein – zu viele Eindrücke, zu wenig Filter. - Perfektionismus & Aufschieberitis:
Beides kann Seite an Seite auftreten. Der Wunsch, alles „richtig“ zu machen, blockiert oft den ersten Schritt. Die Folge: Prokrastination, Selbstvorwürfe und ständiger Druck.
ADHS erkennen – sich selbst besser verstehen
Viele Frauen haben gelernt, sich irgendwie durchzubeißen – oft mit enormem Energieaufwand. Die Diagnose ADHS kann deshalb zunächst eine Erleichterung sein: Endlich ergibt vieles Sinn. Und es gibt Wege, den Alltag mit mehr Leichtigkeit und Selbstfreundlichkeit zu gestalten.
ADHS und die Zusammenhänge mit dem Nervensystem
ADHS ist eine Störung, die bei Frauen häufig nicht sofort erkannt wird. Oft wird sie erst im Erwachsenenalter diagnostiziert, wenn die Symptome im Alltag immer deutlicher werden. Der Zusammenhang zwischen ADHS und dem Nervensystem ist entscheidend, um besser zu verstehen, warum die Symptome bei Frauen oft anders verlaufen – und wie sie ihre inneren Ressourcen stärken können.
ADHS bei Frauen: Ein unterschätztes Bild
Die Symptome von ADHS bei Frauen sind oft subtiler und weniger auffällig als bei anderen. Häufig äußern sich die Schwierigkeiten eher in innerer Unruhe, Problemen bei der Selbstorganisation und emotionaler Instabilität. Diese Symptome können zu einem Gefühl der Überforderung und Scham führen, da Frauen oftmals das Gefühl haben, den gesellschaftlichen Anforderungen nicht gerecht zu werden.
Darüber hinaus können hormonelle Schwankungen, zum Beispiel während der Menstruation, Schwangerschaft oder in den Wechseljahren, die Symptome von ADHS verstärken und das Nervensystem zusätzlich belasten.
Was passiert im Nervensystem bei ADHS?
Das Nervensystem ist der zentrale Steuermechanismus für all unsere körperlichen und geistigen Prozesse. Bei ADHS zeigen sich häufig Ungleichgewichte in der Regulation von Erregung und Entspannung im autonomen Nervensystem, das für die Steuerung der Stressreaktionen verantwortlich ist.
Frauen mit ADHS erleben oft eine erhöhte Reaktivität des Nervensystems auf Stress. Das bedeutet, dass sie schneller in den "Kampf-oder-Flucht"-Modus schalten, was zu einer ständigen inneren Anspannung führen kann. Diese Übererregung macht es schwer, sich zu entspannen oder fokussiert zu bleiben, was zu den typischen Symptomen wie Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten und Impulsivität führen kann.
Die Rolle des Polyvagalen Systems
Das polyvagale System, ein wichtiger Teil des autonomen Nervensystems, spielt eine zentrale Rolle in der Regulierung unserer Stressreaktionen. Frauen mit ADHS haben häufig eine weniger flexible Reaktion des Nervensystems auf Stress. Dadurch fällt es ihnen schwer, nach einer Anspannung wieder in einen Zustand der Ruhe und Erholung zurückzukehren. In solchen Momenten kann das Gefühl der Überforderung oder inneren Leere entstehen, da das Nervensystem nicht in den Entspannungsmodus zurückfindet.
Warum die Regulation des Nervensystems so wichtig ist
ADHS ist nicht nur eine Frage der Aufmerksamkeit – es betrifft das gesamte Nervensystem. Viele Frauen mit ADHS befinden sich dauerhaft in einem Zustand erhöhter Anspannung, als würde das innere Stresssystem nie ganz zur Ruhe kommen. Das erschwert nicht nur das Denken und Planen, sondern auch das emotionale Gleichgewicht. Eine gezielte Regulation des Nervensystems – z. B. durch körperorientierte Therapie, Atemübungen oder Polyvagal-informierte Methoden – kann dabei helfen, innere Sicherheit aufzubauen, Reizüberflutung zu reduzieren und sich selbst besser zu spüren. Erst wenn das Nervensystem in Balance ist, wird echte Veränderung möglich.
Individuelle Unterstützung kann Frauen helfen, einen Umgang zu finden mit den Herausforderungen des ADHS und ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren. Es ist möglich, das Nervensystem zu stärken, sodass es resilienter gegenüber Stress und Anspannung wird und mehr Raum für Ruhe und Fokus entsteht. Außerdem hilft Therapie oftmals, die Scham zu verringern oder auch aufzulösen, die häufig mit ADHS einhergeht.
Medikamentöse Therapien bei ADHS, wie Stimulanzien oder nicht-stimulierende Medikamente, können helfen, die Symptome wie Unaufmerksamkeit und Impulsivität zu lindern. Sie wirken oft, indem sie die Neurotransmitter im Gehirn regulieren. Meist werden diese von PsychiaterInnen verordnet, manchmal auch von HausärztInnen.
Eine medikamentöse Behandlung ist meist am effektivsten, wenn sie mit anderen therapeutischen Ansätzen kombiniert wird, die das Nervensystem ganzheitlich stärken und die Selbstregulation fördern.
Fazit
ADHS bei Frauen ist ein vielschichtiges Thema, das oft im Kontext des Nervensystems und der inneren Regulation verstanden werden muss. Durch ein besseres Verständnis der biologischen und psychischen Prozesse, die hinter den Symptomen stecken, können Frauen Wege finden, ihr Nervensystem zu stabilisieren und ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern.
In meiner Praxis biete ich KlientInnen an, mit ihnen eine ADHS-Diagnostik durchzuführen. Dafür nutze ich den DIVA 2.0 - einen sehr ausführlichen und modernen Test, für den wir ca. 3 Sitzungen benötigen.
Da ich eine Privatpraxis als Heilpraktikerin für Psychotherapie führe, haben die Ergebnisse keine Auswirkungen auf die Krankenakte der gesetzlichen Krankenversicherungen - die Diagnose taucht dort also nicht auf.
Auch reicht den ÄrztInnen das Ergebnis meist nicht aus. Um zum Bsp. Medikamente verordnet zu bekommen.
Um Orientierung zu bekommen, ist der DIVA eine gute Wahl.
Literaturempfehlung:
Dr. Gabor Maté: Unruhe im Kopf
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